Diklusion durch digitale Erlebnispädagogik

Interview über Diklusion mit Dr. Lea Schulz im Teacher Talk Podcast, Folge 94

Disclaimer: Dr. Lea Schulz ist die Erfinderin des Begriffs “Diklusion”. Im Folgenden möchten wir dieses Interview zusammenfassen und auf die digitale Erlebnispädagogik beziehen.

Bildungsbenachteiligung und Individualisierung durch digitale Medien

Innerhalb einer Klasse gibt es verschiedene Arten von bildungsbenachteiligten Kindern. Wenn beispielsweise die Eltern kein Englisch sprechen können, ist das Kind im Vergleich zu den Klassenkamerad*innen benachteiligt, die beim Lernen der Fremdsprache Unterstützung durch die Eltern erfahren können. Sprechen die Eltern kaum Deutsch, können diese ihrem Kind in der Schule auch schwerer helfen, selbst wenn sie eine hervorragende Bildung genossen haben.
Bildungsbenachteiligung kann auch temporär bestehen, beispielsweise wenn sich ein Kind die Schreibhand gebrochen hat und dadurch für Notizen so lange braucht, dass es dem Unterricht phasenweise nicht mehr folgen kann.

Wenn bei einem digitalen Angebot die Inklusion konzeptionell von Anfang an mitgedacht ist, wird dadurch die Teilhabe für Kinder mit verschiedenen Voraussetzungen deutlich verbessert. Kein Kind soll ausgeschlossen werden. Jedes Kind darf sich in seinem Tempo entwickeln, was durch die Individualisierungsmöglichkeiten in einer Software ermöglicht wird. Verstehen ein Kind oder dessen Eltern eine Sprache nicht, ermöglichen Browser wie Google Chrome eine Übersetzung aller Texte und durch Screenreader können sich auch Blinde in einer Form beteiligen, die mit Büchern oder Arbeitsblättern nicht möglich sind.

Auch die Begleitung des Lernens kann durch digitale Medien deutlich besser als analoge Methoden sein. Traditionell lernt ein Kind in der Schule etwas Neues zu einem Thema. Es geht dann nach Hause und macht die Hausaufgaben dazu. Wurde das Thema allerdings in den ersten beiden Stunden des Schultages behandelt, liegen mehrere Stunden und einige Lerninhalte anderer Unterrichtsfächer zwischen dem Lernen und dem Anwenden während der Hausaufgaben am Nachmittag. Zusätzlich wurden vielleicht einige wichtige Aspekte nicht verstanden, sodass das Kind bei den Hausaufgaben nicht zum richtigen Ergebnis kommt. Erst einige Tage später in der nächsten Unterrichtsstunde dieses Faches kann ein Feedback zu den Hausaufgaben erfolgen, welches allerdings vom Lernprozess davor stattfindet, sodass dem Kind vielleicht die Probleme nicht mehr bewusst sind, beim Lösungsversuch der Hausaufgabe aufgetreten sind. Dadurch wird es erschwert, die richtigen Fragen zu stellen, die das Kind weiter bringen würden. Stellt es zudem bei acht von zehn Aufgaben fest, dass es auf ein falsches Ergebnis gekommen ist, kann dies bei wiederholtem Auftreten zu einem schlechten Selbstwertgefühl führen. Das Gefühl “Ich kann Mathe einfach nicht” ist in vielen Fällen vermeidbar.

Durch direktes, digitales Feedback können bessere Fortschritte erzielt werden. Digitale Auswertungen decken Teilbereiche auf, in denen das Verständnis fehlt oder eine Wissenslücke vorliegt. Beispielsweise beim [Labyrinth] kann es sein, dass manche Kinder sich an einer Stelle festbeißen. Sie möchten zum Ziel kommen, kennen aber nicht den richtigen Weg und probieren immer wieder den aus ihrer Sicht kürzesten Weg aus. Dadurch finden sie allerdings nicht die Lösung. Ein kleiner Umweg ist nötig, um zum richtigen Ergebnis zu kommen. Für einen Lernbegleiter ist es leicht, das Kind in dieser Situation durch einen kurzen Hinweis bei der Aufgabe zu unterstützen. In einer Unterrichtsstunde, in der 30 Kinder während einer Übungsaufgabe allerdings an unterschiedlichen Punkten scheitern, ist es für eine Betreuungsperson alleine kaum möglich jedem Kind einen Schubs in die richtige Richtung zu geben. Arbeiten die Kinder alleine außerhalb des Unterrichts an den Hausaufgaben, fehlt diese Unterstützung völlig, was unweigerlich zu so mancher Frustration führt.
Eine Software kann dagegen herausfinden welches Kind welche Unterstützung an welcher Stelle benötigt, um das Lernen bestmöglich zu unterstützen und viele kleine Erfolgserlebnisse zu schaffen, an denen die Kinder wachsen können. Eine digitale Lernstandserfassung schafft zudem bessere Voraussetzungen für Lehrkräfte und Lernbegleiter, die Übungsaufgaben optimal nachzubereiten und darauf aufbauend die nächsten Schritte zu planen.

Persönlichkeitsentwicklung durch Digi-EP

Wie bereits kurz erwähnt, sollte nicht nur die Betreuung einer Aufgabe selbst, sondern bereits die Aufgabenstellung inklusiv sein. — Informationen und Übungsaufgaben in Büchern oder Arbeitsblättern können inhärent nicht alle Kinder abholen. — Der eine hätte gerne mehr Hintergründe zu dieser Aussage, für die nächste sollte etwas präziser formuliert sein. Ein dritter kann mit dem Wort “inhärent” nichts anfangen und wird dadurch benachteiligt. Für ihn wäre es verständlicher, wenn der Text lauten würde: “Gedruckte Texte sind im Nachgang nicht veränderbar und können dadurch schwierig auf individuelle Bedürfnisse angepasst werden.” In einem digitalen Angebot ist es möglich Texte laufend zu verändern bzw. andere Varianten bereitzustellen, egal ob andere Sprachen (Englisch, Arabisch, etc.), leichte Sprache oder andere Formulierungen. Die Auswertungen von Digi-EP ermöglichen es dabei sogar, die Nutzenden mit passenden Emotionen anzusprechen. Manche Kinder mögen, kurze “laute” Herausforderungen mit leichtem Druck, wie etwa: “Du muss so schnell wie möglich auf die andere Seite des Labyrinths kommen! Du hast maximal 15 Minuten Zeit! Los gehts!” Andere fühlen sich mit ruhigeren, ausführlichen Aufgaben ohne Druck besser angesprochen: “Versuche den richtigen Weg durch das Labyrinth zu finden. Dazu kannst du dich wie der König beim Schach bewegen. Mit jedem neuen Versuch kommst du dem Ziel etwas näher.” Den meisten Kindern, aber auch vielen Erwachsenen fehlt das Bewusstsein, dass durch die Art der Aufgabenstellung auch die Ergebnisse beeinflusst werden. Ein Kind, das ohne Druck sehr konzentriert und zielorientiert arbeiten kann, schafft dies vielleicht unter Stress nicht. Ein Kind, das Herausforderungen braucht, trödelt bei einer zu “weichen” Aufgabenstellung herum oder findet sie langweilig. Kennen Kinder sich selbst gut, können sie der Aufgabenstellung für sich ein anderes Framing geben, die ihrer Arbeitsweise besser entspricht. Durch die Selbstreflexionen während der Arbeit mit Digi-EP wird diese Fähigkeit der Selbststeuerung gefördert. Gleichzeitig erhalten Lehrkräfte und Lernbegleiter Auswertungen zu einzelnen Kindern, um deren Bedürfnisse besser zu erkennen und sich diese bewusster zu machen. Lehrkräfte können somit mehr “Kraft” in die Beziehungsarbeit mit den Kindern stecken, statt zu versuchen ihnen eine bestimmte Arbeitsweise aufzuzwingen. Während einer Digitalen Doppelstunde oder des Einsatzes der Digitalen Erlebnispädagogik als SaaS in Klassenleiterstunden, Vertretungsstunden oder bei anderen Gelegenheiten, wird der Raum geschaffen um die Kinder zu beobachten. Emotionen und Reaktionen auf verschiedene Aspekte sind schwer zu sehen, wenn man sich gleichzeitig Gedanken darüber macht, welche nächsten Schritte für den Unterricht notwendig sind. Da die Software von Digi-EP die gesamte Steuerung der Unterrichtseinheit übernimmt, bekommen Lehrkräfte die Möglichkeit ihre Beziehung zur Klasse, aber auch die Beziehung zwischen einzelnen Kindern zu fördern, um mehr Inklusion und Teilhabe in der Klassengemeinschaft zu erreichen. Digi-EP unterstützt das, indem die Software die Interessenslage der Kinder berücksichtigt und die Bedeutung schafft warum einzelne Aspekte aus den digitalen Herausforderungen wichtig sind. Die Kinder werden kognitiv passend zu ihrer Persönlichkeit aktiviert und können die Selbstregulation ihrer Emotionen sowie die Selbstreflexion ihres Verhaltens mit der Unterstützung ihrer Lernbegleiter verstehen. Dies führt zu einer höheren Selbstwirksamkeit, mehr Selbstvertrauen und dem Gefühl, in der Klasse angekommen zu sein. Unabhängig von verschiedenen bildungsbenachteiligenden Faktoren.